Vor der Wahl in den USA

Montag, 2. November 2020

Sehr geehrte Mandanten,

kurz vor dem vielleicht wichtigsten Ereignis dieses Jahres, der Wahl in den USA, wollen wir Ihnen unseren Standpunkt aufzeigen, wie wir aktuell positioniert sind und wie wir nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses zu handeln gedenken.

Standpunkt

Viele Marktkommentare überbieten sich derzeit in Spekulationen über den Wahlausgang und mögliche darauffolgende Entwicklungen. Unzählige Statistiken werden bemüht, Hochrechnungen erstellt und abertausende Sätze im Konjunktiv formuliert. Was könnte werden, wenn…..?

Wir beteiligen uns nicht an dieser Kommunikation. Wir sind der Meinung, dass es absolut sinnlos ist, eine Prognose über den Ausgang der Wahl zu wagen und dementsprechend über die daraus resultierende Entwicklung der Kapitalmärkte. Natürlich kann man eine Meinung haben und einen der beiden Kandidaten als „seinen“ Wunschpräsidenten ansehen. Wie es ausgeht, weiß heute niemand!So wichtig wie die US-Wahl scheint und so omnipräsent das Thema Corona ist, so schnell geht verloren, dass es ein viel gewichtigeres, übergeordnetes Thema gibt: die weltweite Geld- und Zinspolitik. Es darf als gesichert angesehen werden, dass wir viele Jahre mit sehr niedrigen Zinsen und einer extrem lockeren Geldpolitik auskommen müssen.

Der Schlüssel für diese Aussage ist nicht der kurzfristige Konjunkturausblick über die vielleicht kommenden 12 Monate, sondern der langfristige Blick über mehrere Jahre. Ein wirklicher, deutlich spürbarer wirtschaftlicher Aufschwung in der Breite ist nicht zu sehen. Es bedarf daher lediglich einer Frage, um herauszubekommen, dass es eine signifikante Steigerung von Zinsen gar nicht geben kann: welches Zinsniveau können die Staaten dieser Welt überhaupt verkraften?  Auch wenn die Corona-Pandemie die Schuldenquote aller Staaten zusätzlich in die Höhe treibt, lag sie vorher schon, bis auf wenige Ausnahmen, auf Niveaus, bei denen private Haushalte als überschuldet gelten.

Staatsschuldenquoten in Prozent des BIP:
Staatsschulden in Prozent des BIP

Interessierte klicken bitte zusätzlich noch auf den folgenden Link:

Damit kommen wir zu einer Kernaussage: kein Politiker wird sich daran machen (können), nennenswert höhere Zinssätze gegenüber der jeweiligen Notenbank einzufordern. An vier der fünf gezeigten Beispiele lässt sich schnell herauslesen, dass sämtliche staatlichen Budgets dann gesprengt würden. Zudem liefe der jeweilige politische Machtinhaber Gefahr, dass jedes noch so kleine und zarte Konjunkturpflänzchen unter seiner Ägide verdorrt. Es liegt auf der Hand, dass das keiner möchte.

Jenseits hoch verschuldeter Staaten gibt es viele andere Marktakteure, die am Tropf des billigen Geldes hängen und deren Geschäftsmodelle durch das billige Geld gehebelt sind. Denken Sie an den Immobiliensektor und an Banken, die ihrerseits stark davon abhängig sind. Würden Hypothekenzinssätze steigen, hätte das enorme Auswirkungen auf die Zahlungsfähigkeit der Eigentümer. Sie müssten höhere Raten aufwenden – Geld, dass auf der anderen Seite dann für Konsum fehlt und entsprechend belastend auf die Konjunktur wirken würde. Kreditausfälle würden zunehmen, Banken in Schieflagen bringen und vielleicht eine neue Finanzkrise auslösen. Das will niemand, schon gar nicht Politik.

Positionen

In allen Depots, Sparpläne ausgenommen, wurden die Cashquoten oder die Quoten für schnell liquidierbare, defensive Instrumente im Oktober erhöht. Auf regionaler Ebene sind Investitionen in europäische Fonds oder Einzeltitel unterrepräsentiert, Investitionen in US-Fonds hingegen höher gewichtet. Fonds, die in Asien investieren, setzen wir dezidiert, überwiegend in den Sparplänen ein.

Auf Branchenebene gibt es starke Positionierungen in den Sektoren Healthcare (inkl. BioTech + MedTech + MedServices), IT (z.B. bargeldloser Zahlungsverkehr, CloudSolutions). Sukzessive aufgebaut werden Sektoren wie CleanEnergy (Solar- und Windenergie) und Global Environmental (z.B. Wasser- und Wasserstofftechnologie). Untergewichtet bzw. überhaupt nicht vertreten sind Positionen in klassischen Industriewerten wie Automobilbau und Maschinenbau. Banken ebenso wenig wie Tourismus und Eventmarketing.

Die Aktien-, Aktienfondsquote wird aus den unter „Standpunkt“ beschriebenen Fakten relativ hoch bleiben. Jeder, der reale Erträge erwirtschaften will, kommt an Sachwerten in Form von unternehmerischen Beteiligungen nicht mehr vorbei. Die Aktienquote bleibt auch deswegen hoch, weil sicher ist, dass es Impfstoffe zur Bekämpfung des allgegenwärtigen Virus geben wird. Sobald sie zugelassen sind und vertrieben werden, werden wir alle das als Befreiungsschlag wahrnehmen – die Wirtschaft und die Kapitalmärkte entsprechend auch. Stellen Sie sich vor, Sie wären dann nicht dabei…..

Handlungen

Wie anfangs erwähnt, geben wir keinerlei Prognosen ab. Wir fahren auf Sicht und warten ab, was morgen in den USA passiert. Jedoch sind wir der Meinung, dass die unter „Positionierung“ genannten Sektoren unabhängig vom Wahlausgang grundsätzlich zu präferieren sind. Taktisches Handeln kann notwendig werden, um Depots an das Wahlergebnis anzupassen oder aber um die Überzeugung, die für diese Positionen ohnehin schon besteht, zu verstärken.

Wir denken, dass ein deutliches Ergebnis, egal welcher der beiden Kandidaten gewinnt, gut ist. Geht die Wahl knapp aus, ist das schlecht. Mit wochenlangem juristischen Gezerre ist dann zu rechnen.  Die Börsen mögen das nicht. Es ist nicht auszuschließen, dass es so kommt. Insofern halten wir uns vorerst bedeckt. Eventuelle Verwerfungen, die im Rahmen der US-Wahl und/oder einer sich weiter verstärkenden II. Corona-Welle entstehen, sollten durch Auflösung der defensiven, liquiden Mittel genutzt werden. 

Kommentar Ingo Asalla